Die Kinderschule Taptana feiert ihr 15-jähriges Bestehen. Da gratuliere ich all den Pionieren, die maßgeblich Anteil an der Gründung dieser etwas anderen Schule hatten. Im Besonderen natürlich Heike Heinemann, die mit ihrem unermüdlichen, ehrenamtlichen Einsatz für ihre Schule dieses Bestehen seit genau so vielen Jahren sichert. Ein kleinen Teil davon möchte ich mir gerne auch auf meine Fahnen heften. Als ich vor 10 Jahren mein erstes Jahr an der Taptana absolvierte, waren gerade noch fünf Schulkinder angemeldet. Sie erlebten mit uns die Neustrukturierung und den Umbau von einer 4-stufigen Primarschule in eine 9-stufige, die die gesamte Pflichtschulzeit abdeckt. Mittlerweile sind bereits 26 – oder sogar 27 Schülerinnen und Schüler hier angemeldet – dieses Jahr kamen laufend neue Anmeldungen dazu, sodass ich mir nicht mehr sicher bin.
Wie kommt es dazu? Welche Ursachen führen plötzlich zu einem rasanten Anstieg unserer Schülerzahl? Wie kommt es, dass immer mehr Eltern einen nicht unerheblichen, finanziellen Mehraufwand in Kauf nehmen, um ihre Kinder bei uns unterrichten zu lassen?
Propaganda machten wir kaum, allerdings gaben viele Eltern ihre Eindrücke an Freunde und Bekannte weiter – die scheinen weitetsgehend recht positiv ausgefallen zu sein. In den 15 Jahren hat sich diese Institution wohl auch in der Öffentlichkeit ein wenig etabliert. Auffallend ist auch, dass sich neben den eingefleischten Alternativschulanhängern, immer mehr Eltern bei uns melden, deren Kinder sich im Regelschulsystem nicht so zu Recht finden, wie es wünschenswert wäre.
„Mit der Schule beginnt der Ernst des Lebens“, höre ich heute noch meine Mutter, die Onkel und Tanten sagen, „ab jetzt musst du lernen!“. Lernen als etwas Negatives, etwas, dem man sich notgedrungenerweise beugen muss. Zu lange Zeit waren Eltern nicht bereit, die Sinnhaftigkeit von Schule in Frage zu stellen. Den Bildungsstandards entsprechen soll das Kind, es ist ja alles nur zu seinem Besten. Wenn es dann erfolgreich den Lehrstoff jahrelang eingehämmert bekommen hat, darf es sich mit Fug und Recht als ideales Mitglied der Gesellschaft am Arbeitsmarkt dem Meistbietenden unterwerfen.
Sicher ein idealer Werdegang, es sei mir jedoch die Frage erlaubt, für wen das nun tatsächlich ideal ist?
Ich gratuliere deswegen heute auch allen Eltern, die sich damit nicht abfinden, dass ihr Kind eben leider kein Genie wird, dass es vermutlich an ADHS leidet, weil es nicht in der Lage ist, sechs Stunden hintereinander mit kurzen Bewegungspausen möglichst lautlos am Sessel zu kleben und deswegen ganz offensichtlich an einer massiven Verhaltensstörung leidet (mit einer kleinen Pille ist es dann ja ohnehin schnell wieder auf den richtigen Kurs gebracht).
Bravo, ihr habt erkannt, dass sich Leben woanders abspielen soll, dass Selbstbewusstsein, Eigenständigkeit und soziale Kompetenz die tragenden Säulen einer gesunden Entwicklung darstellen und dass das Glück, als Kind auch wirklich Kind sein zu dürfen, einen weit höheren Stellenwert einnimmt als jegliches normierte Bildungsideal. Ihr habt meine ganze Hochachtung dafür, dass ihr euch damit gegen den Druck unserer Leistungs- und Kontrollgesellschaft stellt.
Ich wünsche mir, mit euren Kindern noch lange Spaß und Freude am Schulalltag erleben zu dürfen.
Schule wird ohnedies viel zu ernst genommen, meint euer
Wolfgang Vogl